Mit Lärm gegen Gewalt und Ausbeutung
Würzburg/Bad Kissingen (POW) Töpfe, Deckel und Rührlöffel sind die Utensilien, die am Mittwoch, 8. März, um 18 Uhr am Würzburger Vierröhrenbrunnen gebraucht werden: Dort beginnt die so genannte „Topfdemo“ am Internationalen Frauentag, die unter dem Motto „Brot und Rosen – Gerechtigkeit für Frauen“ steht. Im Anschluss führt der Protestzug – vorbei an Dom und Juliusspital – zu Stift Haug. Dort findet um 18.45 Uhr eine Wort-Gottes-Feier statt, an die sich eine Begegnung im Matthias-Ehrenfried-Haus anschließt. Zahlreiche katholische Verbände, Frauenorden, die Frauenbeauftragte des evangelischen Dekanats Würzburg und die Dienstleistungsgesellschaft verdi laden zu der Veranstaltung ein. Schwerpunktthemen in diesem Jahr sind Sextourismus, häusliche Gewalt und Zwangsprostitution.
„Die Idee, mit Töpfen Lärm zu schlagen, kam uns beim Betrachten des Misereor-Hungertuchs aus dem Jahr 2004, auf dem Frauen auf diese Weise für ihre Rechte kämpfend abgebildet sind“, erzählte Sabine Schiedermair, Frauenreferentin der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Bistum Würzburg und Mitorganisatorin der „Topfdemo“, am Donnerstag, 2. März, bei einer Pressekonferenz im Kilianshaus. Brot stehe im Motto für das Lebensnotwendige, die Rosen seien Symbol für die Dinge, durch die das Leben angenehm werde. Bei der Premiere im vergangenen Jahr nahmen rund 100 Personen teil. In diesem Jahr rechnen die Veranstalter mit mindestens doppelt so vielen Teilnehmern. „Das Thema ist von so großer Bedeutung, dass wir als Kirche voll dahinter stehen“, unterstrich Domkapitular Hans Herderich, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge.
Als Tag, an dem Frauen für ihre Rechte kämpfen, hat der 8. März eine lange Geschichte. Zum ersten Mal trafen sich an diesem Termin 1911 in Dänemark, Österreich, Schweden, der Schweiz, Deutschland und in den USA Frauen zu Versammlungen und Demonstrationen. Ihr Hauptanliegen war damals das Wahlrecht für Frauen. Die Forderungen orientieren sich seitdem an der aktuellen politischen Lage in den einzelnen Ländern. Gleichgeblieben ist das Grundanliegen: der Einsatz für die Rechte der Frau.
„Die diesjährigen Themen gehen nicht nur Frauen etwas an“, sagte Renate Hofmann. Als Leiterin der Fachberatungsstelle Solwodi in Bad Kissingen kümmert sie sich tagtäglich um junge Frauen, die Opfer von Zwangsprostitution sind. „Die meisten von ihnen sind zwischen 18 und 24 Jahren alt und werden in Osteuropa unter falschen Versprechungen in den Westen gelockt.“ Die Drahtzieher seien zumeist Männer aus der Verwandtschaft oder dem Bekanntenkreis der Opfer. „Für sie ist das Vorgehen sehr risikolos und gewinnträchtig.“ Die Frauen hingegen litten schwer: „Sie sind meist täglich der Gewalt ausgesetzt, sprechen die Landessprache nicht und werden von ihren Peinigern im Glauben gelassen, die Polizei stecke mit ihnen sowieso unter einer Decke“, weiß Hofmann aus Erfahrung: Werden zwangsverschleppte Frauen bei Razzien in Bordellen entdeckt, bringen anschließende Strafprozesse gegen die Zuhälter meist neues Leid: „Die Frauen müssen dann detailliert und möglichst emotionslos erzählen, was ihnen widerfahren ist.“ Für die Polizei sei der Fall mit dem Prozess erledigt. „Die Frauen bleiben lebenslang mit ihren traumatischen Erlebnissen beschäftigt.“ Nicht selten versuchten sie, sich das Leben zu nehmen.
Um der Zwangsprostitution vorzubeugen, hat Solwodi zusammen mit dem Hilfswerk Renovabis eine Präventionskampagne in den Ländern Mittel- und Osteuropas gestartet: Mittels Flugblättern werden junge Frauen auf Gefahren allzu verlockender Arbeitsangebote im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft hingewiesen. Für die Dauer der WM gibt es eine von Solwodi eingerichtete mehrsprachige Telefon-Hotline, die bundesweit den Opfern von Menschenhandel Hilfe und Rat anbietet. Sie ist kostenlos unter der Nummer 0800/0111777 zu erreichen. Bei der „Topfdemo“ wird auf Einladung von Misereor auch die Italienerin Cecy Prestrello teilnehmen. Sie betreut seit 15 Jahren im Großraum Refice in Brasilien ein Projekt, das in elf Armenvierteln der Region gegen Sextourismus, Kinderprostitution und häusliche Gewalt kämpft. „Vielfach sind die eigenen vier Wände der gefährlichste Ort für Frauen“, berichtete Christiane Hetterich vom Missionsreferat der Diözese Würzburg.
„Wir sind sicher, dass sich nicht nur Frauen für die Schwerpunkte des Internationalen Frauentags interessieren“, betonte Andrea Kober-Weikmann vom Referat Frauenseelsorge. „Die wirtschaftliche Ungerechtigkeit, die den Nährboden für Sextourismus und Zwangsprostitution bildet, ist schließlich ein Thema, das alle angeht“, ergänzte Ruth Belzner, Frauenbeauftragte des evangelischen Dekanats Würzburg.
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